Sachbuch

Schlaues Krisenbuch für Kulturinteressierte

Eine gefühlte Ewigkeit dauert sie nun schon – die „Corona-Krise“. Und was wurden (und werden) dazu nicht Bücher veröffentlicht, Kommentare verfasst und Artikel geschrieben. Unter dem Titel „Dekameron 21.0 – Zehn Schlaglichter auf eine Krise“ haben sich zehn Autoren Gedanken zu dieser Ausnahmesituation gemacht – und zwar aus geisteswissenschaftlicher Sicht. Seuchen, Krisen, Pest und Isolation werden aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und auf philosophische, religiöse, historische, literarische und gesellschaftliche Aspekte hin durchleuchtet. Das beginnt mit der Pest im Mittelalter und ihrem Einfluss auf die bayerische Literaturgeschichte und endet bei der Suche nach religiösen Elementen beim Panik-Toilettenpapier-Kauf.

Herausgeber Peter Czoik (er selbst hat ein Essay über die Virus-Darstellung im John Carpenter Film „The Thing“ beigesteuert) hat sich dabei am berühmten „Decamerone“ von Giovanni Boccaccio orientiert: zehn Essays, geschrieben in einer Zeit der „Seuche“, sind in diesem Buch vereint. Spannendes kommt dabei zu Tage, etwa, dass sich der spätere Physik-Nobelpreisträger Werner Heisenberg mit der Spanischen Grippe infiziert hatte. Es geht um Quarantäne und Literatur, das Jahr ohne Sommer, die Corona-Pandemie als Herausforderung für Autoren und Autorinnen und um die Spurensuche nach Religion in der Krise.

Ach ja, dann sind da ja auch noch die Experten. Gerade in Coronazeiten und dank Social Media ist beinahe jeder ein Experte für irgendwas. Wann aber ist nun ein Experte ein Experte? Darüber informiert Uwe Kullnick, promovierter Wissenschaftler und diplomierter Bio- und Neurophysiologe. Er erläutert das System des „Daubert Pinciples“, nach dem in den USA und Kanada Experten erst als solche bezeichnet werden dürfen. Leider gäbe es in Europa mit Ausnahme von Großbritannien nichts vergleichbares, meint der Wissenschaftler. Und Corona hat die Lage noch verschärft – oder besser jede Menge Unschärfen verursacht. „Plötzlich reden Virologen über Epidemiologie, Kliniker über Virologie, Epidemiologen über Therapien, alle über wirtschaftliche, technische und soziale Aspekte der Krise.“ In den Talkshows der Repubik würde schon lange nicht mehr zwischen den Disziplinen unterschieden. Und dann kommen da auch noch die Populisten…

Herausgeber Peter Czoik sieht das Buch als momentane Bestandsaufnahme. Corona werde uns noch eine ganze Weile beschäftigen. Umso wichtiger sind unterschiedliche Zugänge zum Thema – abseits von Survival-Ratgebern oder Verschwörungstheorien.

Peter Czoik (Hrsg.)
Dekameron 21.0
Zehn Schlaglichter auf eine Krise
Königshausen & Neumann
ISBN 978-3-8260-7295-6