Sachbuch

Sisi und ihre Patchwork-Religiosität

Sie ist unbestritten der Superstar der Habsburger, auch wenn sie eine eingeheiratete Wittelsbacherin war: Kaiserin Elisabeth von Österreich. Generationen von Experten und Romanautoren, von Filmemachern und Historikern haben sich mit ihrem Leben beschäftigt. Über Schönheitswahn und Realitätsflucht, über die kaiserliche Ehe und die familiären Tragödien ist schon viel, vielleicht sogar zu viel geschrieben worden. Doch das Thema, dem sich Sisi-Kenner Alfons Schweiggert gewidmet hat, tauchte bis zu diesem Buch noch nirgends aus. Wie hielt es Sisi mit der Religion? Das wollte er herausfinden. Nun, es ist – wie bei allem, was mit ihr zu tun hat – kompliziert.

Zwischen Marienverehrung und Todessehnsucht

Elisabeth von Österreich glaubte an Gott. Aber auf ihre Weise. Das macht Alfons Schweiggert in seinem Buch „Elisabeth und ihr Gott – Glaube und Aberglaube im Leben der Kaiserin von Österreich“ deutlich. Sie lehnte repräsentative Pflichten und das sich zur Schau Stellen bei festlichen Gottesdiensten ab, fühlte sich in der „dumpfen Kirche“ unwohl und betete lieber allein im Stillen. Sie glaubte an Geister und Glücksbringer, nahm an Séancen teil, vergötterte Pferde und umgab sich gerne mit antiken griechischer Gottheiten. Andererseits ist eine ausgeprägte Marienverehrung der Kaiserin belegt – zahlreiche Wallfahrten etwa nach Mariazell sind verbürgt. Den hohen Klerus und allen voran den Erzbischof von Wien konnte sie nicht leiden. Sie glaubte an ein Weiterleben der Seele nach dem Tod und fühlte sich zu einfachen Mönchen auf ihren „Lieblingsinseln“ Madeira und Korfu hingezogen. Elisabeth von Österreich kümmerte sich um Arme und Kranke, ohne großes Aufsehen zu erregen. Andererseits lebte sie im Luxus, betrieb einen wahnhaften Schönheitskult und war durchaus fähig, zu hassen. Glaubenszweifel, Todessehnsucht und Einsamkeit – auch diese Gefühle bestimmten das Leben der Kaiserin. Schließlich war da noch Elisabeths Lieblingstocher Valerie – ein frommes, katholisches Kind, das auch im Erwachsenenalter an diesem Glauben festhielt und die zunehmende Entfremdung der Mutter von eben dieser Kirche mit Sorge beobachtete.

Ihrer Zeit voraus

„Eine gewisse Tendenz zu einer individuellen Patchwork-Religiosität“ bescheinigt der Auto der Kaiserin von Österreich. Ständig auf spiritueller Sinnsuche hat sie sich die äußerst belesene Sisi aus verschiedenen Philosophien und Religionen bedient und so ihren eigenen Glauben zusammen gesetzt. So glaubte sie auch an das „Kismet“, also die Vorbestimmtheit des Schicksals durch Gott wie sie im Islam zu finden ist. Ein „Ende klerikaler Bevormundung und eine Entmonopolisierung von Religionssystemen“ in einer globalisierten Welt – das hätte Sisi sicherlich gut gefallen. In religiöser Hinsicht sei sie ihrer Zeit durchaus voraus gewesen, schreibt Alfons Schweiggert. „Bedauerlich war jedoch, dass sich Elisabeth öffentlich viel zu wenig zu Wort meldete und ihre liberalen Ansichten auch in religiösen Fragen viel zu selten lautstark äußerte, die sicher auch aus Angst vor der habsburgischen Zensur.“ So sei sie immer nur beinahe eine Freidenkerin, Philosophin, Dichterin, Pazifistin, Feministin oder auch Kirchenkritikerin gewesen. Andererseits würden ihre Ansichten gut ins 21. Jahrhundert passen, „in dem der absolute Bezugspunkt nicht mehr Religion ist, sondern vorrangig das Ego“.

Für seine Monographie hat Alfons Schweiggert unzählige Dokumente durchforstet – von den Tagebucheinträgen ihrer Zeitgenossen über Briefkorrespondenzen bis hin zu Elisabeths Gedichten. Zahllose Fachbücher mussten gewälzt werden, um diese äußerst ausführliche und intensive Analyse einer bislang kaum erforschten Facette in Sisis Leben zu erarbeiten. „Elisabeth und ihr Gott – Glaube und Aberglaube im Leben der Kaiserin von Österreich“ erlaubt spannende Einblicke in das Leben einer Berühmtheit, von der man glaubte, alles zu wissen.

Alfons Schweiggert
Elisabeth und ihr Gott
Glaube und Aberglaube im Leben der Kaiserin von Österreich
Allitera Verlag

ISBN 978-3-96233-254-8