Sachbuch

Volksnaher Gegenentwurf zum Märchenkönig

Ja, die Torte. Beim Begriff Prinzregent ist die Assoziation mit dem süßen Gebäck unvermeidbar. Und es schwingt immer ein bisschen süßliche Geschichtsverklärung mit. Aber war denn jener Prinzregent Luitpold, dem diese Prinzregententorte gewidmet wurde (von wem zuerst ist nicht genau nachzuvollziehen)? „Herrscher ohne Krone“ lautet der Untertitel zu seiner Biografie, die gerade in der Reihe „kleine bayerische biografie“ im Verlag Friedrich Pustet erschienen ist. Passend zum 200. Geburtstag des Regenten.

Als der kleine Luitpold am 12. März 1821 das Licht der Welt in Würzburg erblickte, war die Karriere als „König“ der Bayern nicht unbedingt vorgezeichnet. Schon gar nicht, dass er einmal als Spätberufener die Nachfolge seines tödlich verunglückten Neffen antreten würde. Dabei erscheint dieser Luitpold, dessen große Leidenschaft dem Militär galt, beinahe als ein unerschütterlicher Fels inmitten eines turbulenten Strudels, der aus königlichen Skandalen, tragischen Todesfällen und – sagen wir mal – mentalen Unaufgeräumtheiten bestand. Und bei der Lektüre dieser hoch interessanten Biografie des Historikers Stefan März stellt man sich unweigerlich die Frage: Was wäre eigentlich passiert – und was nicht – , wenn Luitpold sofort auf Ludwig I. gefolgt wäre? Das Disneyland würde vermutlich anders aussehen. München vielleicht auch, hätte Luitpold nicht erst mit 65 Jahren die Regentschaft übernommen. Trotzdem hat er der Residenzstadt prächtige und wichtige Bauten beschert wie den Justizpalast, das Bayerische Nationalmuseum, das Prinzregententheater oder das Deutsche Museum. Dabei trat er nie selbst als Bauherr auf und mischte sich auch nicht in die architektonische Planung ein. Typisch Luitpold eben. Er unterschied sich deutlich von seinem Vorgänger Ludwig II., der ihn und seine Familie offensichtlich nicht leiden konnte. „Ludwig II. erließ gegen Luitpold und dessen Söhne Ludwig und Leopold ab 1867 sogar mehrfach Hofverbote aufgrund von – seiner Ansicht nach – ungebührlichen Verhaltens,“ schreibt Stefan März. Es sollte nicht das letzte Verbot sein, denn auch politisch vertrat die Familie Luitpolds andere Standpunkte als der König. Kein Wunder also, dass nach der Entmündigung des „Märchenkönigs“ und dessen Tod Befürchtungen laut wurden, man würde Luitpold einen Mord anhängen wollen. Aber der Prinzregent schaffte es, das Volk für sich zu gewinnen – auch, weil er im Gegensatz zu seinem scheuen Vorgänger ständig in der Öffentlichkeit präsent war. Ein Kraftakt für einen Herren im Rentenalter, der aber mit Disziplin und Bescheidenheit bis zum Schluss seine Pflichten wahr nahm.

Bayerischer König war freilich weiterhin bis zur Verfassungsänderung 1913 Otto I., der geisteskranke Bruder von Ludwig II. Den Königstitel lehnte Luitpold stets ab – aus mehreren Gründen. Ein geschickter Schachzug, der auch zu seiner Beliebtheit beigetragen hat. Am 12. Dezember 1912 ist der 91-jährige Prinzregent in der Münchner Residenz verstorben. „Die Trauer um den verstorbenen Landesvater war groß und ungeheuchelt“, schreibt Stefan März. Mit dem Prinzregenten endete auch eine Epoche, die schnell als die „gute alte Zeit“ verklärt wurde. Nicht alles war gut, aber in mancherlei Hinsicht war sie es, meint Stefan März. Kunstförderer, Familienmensch, Soldat, Regent, Diplomat… Prinzregent Luitpold hatte viele Facetten. In dieser Biografie kann man dem Herrscher ohne Krone nachspüren. Befreit von Kitsch und Gloria.

 

Prinzregent Luitpold
Herrscher ohne Krone
kleine bayerische biografie
Verlag Friedrich Pustet

ISBN 978-3-7917-3213-8