Sachbuch

Im ewigen Schatten von Liesl Karlstadt

Wenn der Name Karl Valentin fällt, dann ist auch der Name Liesl Karlstadt schnell genannt. Aber Annemarie Fischer? Eine Bühnenpartnerin des großen bayerischen Komikers? Ja, es gab sie wirklich, diese Annemarie Fischer. Und Valentinkenner Alfons Schweiggert hat dieser vergessenen Schauspielerin nun ein Buch gewidmet: Unter dem Titel „Karl Valentins fesche Mizzi“ ergründet er das Leben dieser Frau, die neun Monate lang der Seite Valentins auf der Bühne stand. Sie selbst hat in ihrer Beziehung zu ihrem Bühnenpartner wohl weitaus mehr gesehen, als sich tatsächlich ereignet hat.

Im Oktober 1939 tauchte Annemarie Fischer zum ersten Mal in München an der Seite von Karl Valentin auf. In der „Ritterspelunke“ war es, wo sie nicht nur im Stück „Ritter Unkenstein“, sondern auch als Soubrette „fesche Mizzi“ und als „Moritaten-Annamirl“ das Publikum unterhielt. Die Kritiker waren begeistert von der Vielseitigkeit der 22-Jährigen, die zu dieser Zeit die erkrankte Liesl Karlstadt ersetzte. Karl Valentin hat daher – so schreibt es Alfons Schweiggert – einen Journalisten gebeten: „Wenn S´ was schreiben, na´ machen S´ kein´ Vergleich mit der Liesl Karlstadt!“

Dass das Verhältnis zwischen Liesl Karlstadt, die zu diesem Zeitpunkt fest 30 Jahre lang Bühnen- und zum Teil auch Lebenspartnerin des berühmten Komikers war und jener jungen „Annemie“ kein einfaches war, hat wohl auch der Mann gespürt, der von Annemarie Fischer in ihren Memoiren als leidenschaftlicher und sehr guter Liebhaber beschrieben wird: „Karl Valentin war ein Vollblutmann. Er war ein Naturereignis. In jeder Beziehung.“ Angeblich sei Annemarie Fischer die einzige gewesen, die ihn in seinen letzten Lebensjahren zeitweilig glücklich sein ließ. Das behauptete sie, während der Autor stichhaltige Beweise vorlegen kann, dass – trotz Liebschaften und Ehe – wohl Liesl Karlstadt die wichtigste Frau im Leben Valentins gewesen ist.

Beziehungsstatus: kompliziert

Eine Fotografie aus dem Jahr 1939 macht deutlich: Annemarie Fischer stand nicht erst in der „Ritterspelunke“ mit Karl Valentin auf der Bühne, sondern bereits im Apollo-Theater in Augsburg. Und Liesl Karlstadt war auch mit dabei. „Meiner feschen Soubrette Annemarie Fischer, gastiert bei K. Valentin 1939, Augsburg“ steht auf einem Foto, das – ein einziges Mal – alle drei Beteiligten dieser etwas seltsamen Dreiecksbeziehung zeigt. Die Geschichte vom verzweifelten Anruf Valentins bei Annemarie Fischer, in dem er sie bat für die erkrankte Karlstadt einzuspringen, war wohl eher der Fantasie Fischers entsprungen. Dieses Muster zieht sich durch. Und so vergleicht Alfons Schweiggert die Memoiren Fischers mit anderen Quellen und insbesondere den Erinnerungen von Annemarie Fischers Schwester, die diese dem Autor zur Verfügung gestellt hatte. Die Bewunderung für Karl Valentin und die Eifersucht auf Liesl Karlstadt werden dabei nur allzu deutlich.

Es waren nur neun Monate, die Valentin und Fischer miteinander auftraten. Mit der Schließung der „Ritterspelunke“ war dieses Kapitel beendet und bald auch die Beziehung zwischen den beiden. Man bleib in lockerem Kontakt, bis Valentin 1948 verstarb. Annemarie Fischer hatte inzwischen ein Kind bekommen, das seinen Vater aber nie kennen gelernt hatte, denn dieser – Stabsarzt Dr. August Müller – kam kurz vor der Geburt im Krieg ums Leben. Kurz nach Kriegsende heiratete Annemarie Fischer den Handelsakademiker Erich Anton Grubinger aus Wien, was zur Österreicherin gemacht hatte. Künstlerisch konnte sie nur noch schwer Fuß fassen, sie wurde alkoholkrank, arbeitete beim Rundfunk und starb schließlich in München vereinsamt im Juli 1988. Ein Grab gibt es nicht, da sie ihren Körper der Anatomie vermachte. Und so wäre sie fast spurlos verschwunden, wenn sich nicht jetzt Alfons Schweiggert dieser ungewöhnlichen Frau angenommen hätte.

Dabei beleuchtet der Autor nicht nur das Leben Fischers, sondern auch die Künstlerszene in München, das Gelingen oder Nicht-Gelingen der „Firma Valentin-Karlstadt“ und steuert dazu unveröffentlichte Fotografien aus dem Familienarchiv Fischer bei. Eine spannende Entdeckungsreise auf den Spuren des wohl größten bayerischen Komikers, dessen Lebens- und Liebesgeschichte immer noch für Überraschungen gut ist. Eine davon ist die „fesche Mizzi“.

Alfons Schweiggert
Karl Valentins fesche Mizzi
Die Schauspielerin Annemarie Fischer
Allitera Verlag
ISBN 978-3-96233-332-4
https://www.allitera-verlag.de/buch/karl-valentins-fesche-mizzi/