Sachbuch

Schwestern-Schicksale von der Kaiserin bis zur Künstlerin

„Wenn du nicht da bist, verschwindet die Farbe aus dem Leben, wie Wasser aus einem Schwamm; und ich existiere nur noch, trocken und staubig.“ Was für eine Liebeserklärung! Doch sie galt nicht etwa dem Angebeteten oder der Liebsten. Diese Worte fand Schriftstellerin Virginia Woolf für ihre Schwester Vanessa Bell.

Bell? Nie gehört? So verhält es sich mit manch einem Schwesternschicksal. Die eine weltberühmt, die andere vergessen. Gunna Wendt nimmt sich in „Wir waren doch Teile voneinander“ berühmter Schwestern an und zeichnet deren Lebenswege nach – immer mit Blick auf die besondere geschwisterliche Beziehung. Und was, wenn zwei Schwestern den selben Mann verehren? Im Fall von Caroline und Charlotte von Lengefeld war es Friedrich Schiller, der beide Frauen liebte – und sie ihn. Beiden schrieb er Liebeserklärungen, die eine schlug ihm vor, die andere zu heiraten. „Schiller fand es verlockend, sich nicht auf einen einzigen Menschen beschränken zu müssen, sondern jeder der beiden Schwestern liebend gerecht zu werden“, schreibt Gunna Wendt und beleuchtet gleich mit der ersten von insgesamt 16 geschwisterlichen Kurz-Biographien einen außergewöhnlichen Dreierbund.

Von der Schriftstellerin und Künstlerin über das gekrönte Haupt bis zur Widerstandskämpferin und der Terroristin reicht das Spektrum der beschriebenen Frauenfiguren, in deren Leben die Schwester oder Schwestern und in zwei Fällen auch der Bruder eine wichtige, wenn nicht sogar übermächtige Rolle spielten. Gunna Wendt, die mit ihren Biographien vorwiegend weiblicher Künstlerinnen schon so viele Leser und Leserinnen begeistert hat, greift in diesem Buch auf eben dieses umfangreiche Wissen zurück. Tragische Schicksale, Konkurrenzkämpfe, aber auch bedingungslose Solidarität zeichnet die unterschiedlichen Schwesternschicksale aus. So zählte Amalie Wellano, Schwester der Schauspielerin Liesl Karlstadt, laut Gunna Wendt alle zu ihren „Feinden“, die  ihrer geliebten Schwester nicht die Sensibilität und das Verständnis entgegenbrachten die sich brauchte, um sich künstlerisch zu entfalten. Die Sorge um die Schwester drohte aber immer wieder in eine Umklammerung zu münden, aus der Liesl Karlstadt schließlich auf kuriose Weise entfloh. Sie ging in die Berge und schloss sich den Gebirgsjägern an.

Und so finden sich viele spannende, lesenswerte Schwestern- bzw. Geschwistergeschichten in diesem Buch, darunter die von Kaiserin Sisi und ihrer Schwester Néné, Zarin Alexandra und Großfürstin Elisabeth, Else und Frieda von Richthofen, die drei Brontë Schwestern, Annette und Jenny von Droste-Hülshoff, den Schwestern de Beauvoir, Sophie Scholl und Inge Aicher-Scholl und Gudrun und Christiane Ensslin. Unter der Überschrift „Auch Brüder brauchen starke Schwestern“ werden außerdem die Schicksale von Nannerl Mozart und Erika Mann beschrieben. Ergänzt werden die Texte durch Illustrationen von Hannah Kolling.

Gunna Wendt
Waren wir doch Teile voneinander
Geschichten von berühmten Schwestern
Reclam Verlag
ISBN 978-3-15-011381-3